Ein Hundebiss und seine Folgen – Teil 2: Hundebesitzer und spanische Ärzte

Veröffentlicht: 6. November 2014 in Leonies Leben 2014, LeoniesLeben, Spanisches Leben
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Kleine Chemiebombe

Kleine Chemiebombe

Der Streifenwagen fuhr mich zu der 1 Kilometer entfernten Ambulanz. Vor dem Haus fragte ich, wie es nun weiterginge und ob die Polizei den Besitzer des Hundes suchen würde. Der Fahrer des Wagens erklärte mir, dass ein Hundebiss nach spanischen Recht ein Delikt sei, bei dem nur etwas unternommen würde, wenn ich eine Anzeige bei der Polizei machen würde. Dazu würde ich eine Bescheinigung eines Arztes benötigen, dass ich von einem Hund gebissen worden sei. Ich fand das in dem Moment schon ein bisschen merkwürdig, da ich ganz offensichtlich ein blutendes und zerfetztes Bein hatte. Die Polizisten hatten selber am Morgen mit Zeugen gesprochen, die die Hunde gesehen hatten. Doch die Schmerzen nahmen zu und die strafrechtliche Seite der Angelegenheit stand für mich zunächst im Hintergrund. Ich schleppte mich in die Ambulanz hinein, die normal mit einer Sekretärin, einer Krankenschwester und einem Arzt besetzt ist. Auf den Stühlen und Bänken saßen an diesem Freitagmorgen bereits einige Wartende, die alle heftige Beschwerden zu haben schienen. Ich ließ mich auf eine Bank fallen. Das Blut lief am Bein hinunter und verursachte einen kleinen roten See um meinen Fuß herum.
Nach 20 Minuten tauchte die Sekretärin auf und erklärte allen Anwesenden, dass heute weder der Arzt noch die Krankenschwester im Hause seien. Sie hätten dringende Auswärtstermine. Wer meine, heute noch einen Arzt aufsuchen zu müssen, der hätte nach Alcala zu fahren. Alcala ist ein Ort, der ca. 5 Kilometer entfernt liegt. Ich war verzweifelt. Wie sollte ich dahin kommen? Zur Busstation konnte ich nicht mehr laufen. Ich rief einen Freund aus meinem Spanischkurs an und erklärte ihm meine verzweifelte Situation. Dieter erklärte sehr hilfsbereit, dass er sofort komme würde. Ich schöpfte Hoffnung, an dem Tag doch noch zu einem Arzt zu kommen.

Biss auf einer Seite

Biss auf einer Seite

Plötzlich stand ein etwas rundlicher kleiner spanischer Mann, der so um die 50 Jahre alt zu sein schien, vor mir. Er erklärte, dass ihm das mit dem Biss alles so unangenehm sei. Der Hund gehöre seiner Lebensgefährtin. Ich möge bitte nicht zur Polizei gehen, denn sie seien arm und hätten keine Versicherung und keine Papiere für ihre Hunde. Sie würden mich zum Arzt bringen und die Behandlung bezahlen. Mir war zwischenzeitlich alles egal. Ich wollte nur zu einem Arzt. Also rief ich Dieter an, dass sein Kommen doch nicht nötig sei und fuhr mit dem Mann und seiner gleichfalls rundlichen Lebensgefährtin nach Alcala in eine Arztpraxis. Ich erwähne hier, dass die Beiden wirklich nicht als schlank zu bezeichnen sind, nicht um sie zu diskriminieren, sondern weil dieser Umstand später noch eine Rolle spielen sollte.
In der Arztpraxis in Alcala mussten wir noch einmal über eine Stunde warten. Mittlerweile war es Mittag und es störte auch niemanden, dass mein Blut weiter auf den Boden tropfte. Endlich hatte der Arzt Zeit für mich und reinigte die tiefen Bisswunden. Ich hätte an die Decke springen können vor Schmerzen, wusste aber auch, dass eine gute Wundreinigung bei einem Hundebiss absolut notwendig ist. Dann bekam ich Schmerzmittel und zwei Sorten sehr starke Antibiotika verschrieben. Das gefiel mir gar nicht, da ich nicht gerne so viel Chemie in mich hinein schlucke, aber ich wusste auch, dass die Einnahme bei einem Hundebiss lebenswichtig sein kann. Der Arzt wirkte auf mich in erster Linie an einer schnellen Abfertigung und an seiner Rechnung interessiert. Er fragte nicht einmal, ob ich Tetanus geimpft sei. Das wunderte mich schon ein wenig. Ich zeigte ihm von mir aus meinen Impfausweis und er meinte: „Gut“. Ich fragte, wie es denn mit Tollwut sei. Die Tollwut schien den Arzt nicht zu interessieren. Doch die Hundebesitzer meinten plötzlich, dass ihr Hund natürlich geimpft sei. Ich sagte, dass ich gerne die Papiere des Hundes sehen würde, da sie doch vorher gesagt hätten, dass sie keine Papiere hätten. Sie erklärten, dass sie die Papiere zum nächsten Arztbesuch mitbringen würden.
Auf dem Rückweg fragte ich die Hundebesitzer, die einen Mercedes fuhren, ob sie in dem großen gelben Haus an der Straße wohnen würden, da die Hunde dort hinein gelaufen seien. „Nein, wir sind arm. Wir haben kein Geld. Nein, ein gelbes Haus kennen wir nicht. Wir wohnen in der Hausnummer 101. Ein kleines Haus weiter unten“, „Und wie wollen Sie sicherstellen, dass ihr Hund künftig keine anderen Menschen verfolgt und beißt?“ fragte ich.
„Unsere Hunde sind den ganzen Tag in der Wohnung und werden nur für ihr Geschäft herausgelassen. Sie sehen ja selber, dass ich sehr dick bin“, sagte die Frau. „Ich kann nicht mit den Hunden spazieren gehen. Mein Mann kann das auch nicht, denn er ist krank und hat keine Arbeit. Vielleicht bringen wir den Schäferhund bald in den Norden zu einer Freundin. Aber wir hängen sehr an dem Tier. Spazieren können wir nicht mit ihm gehen, aber er liegt mit uns den größten Teil des Tages auf dem Sofa. Aber Sie können sicher sein, dass der Hund zukünftig niemanden mehr beißen wird. Wir passen auf“. Die Erklärung wirkte nicht sehr überzeugend. Doch hatte ich in dem Moment immer noch starke Schmerzen und konnte nicht unterscheiden, was möglicherweise wahr und was gelogen war.
Für den Moment gab ich mich mit diesen Erklärungen zufrieden. Der Schmerz überwältigte mich und ich wusste nicht, wie ich überhaupt die nächsten Tage mit Lasko rausgehen könnte.
10 Tage nahm ich die Antibiotika ein, schluckte häufig Schmerzmittel und humpelte mit einem sehr verständnisvollen Lasko ein wenig spazieren. Irgendwie schien Lasko zu spüren, dass es mir nicht gut ging und lag zumeist bei mir in der Nähe und bemühte sich, nicht zu ziehen, wenn ich im Ort selbst von 90 Jährigen locker überholt wurde. Mir blieb nur der sehnsuchtsvolle Blick in die Berge.
Täglich wechselte ich selber den Verband und versorgte die Wunde. Um mir etwas Abwechslung zu verschaffen, nahm mich ein älterer englische Nachbar einen Tag mit nach Candelaria, das auf der anderen Seite der Insel liegt. In Candelaria bestaunte ich die große Kathedrale und die beeindruckenden Figuren der Guanchen Häuptlinge, die dort am Meer aufgereiht stehen.

Candelaria

Candelaria

Candelaria

Candelaria

Candelaria

Candelaria

10 Tage nach dem 26. September holte mich die Hundebesitzerin in ihrem Mercedes ab und fuhr mit mir zum Arzt nach Alcala. Der Arzt stellte nach zweistündiger Wartezeit fest, dass die Wunde langsam, aber sicher auf dem Weg der Heilung war. Sie war noch offen und blutete, aber das sollte auch so sein, damit „Dreck“ von innen abfließen konnte. Aus diesem Grunde waren die Bisse auch nicht vernäht worden. Ich fragte nochmals nach dem Hundeimpfpass und die Besitzerin zeigte mir ein Dokument, das einem Schäferhund gehörte. Mich irritierte, dass der Name des Besitzers ein anderer war. Die Adresse war nicht die der Besitzerin in Tamaimo, sondern eine Adresse im ca. 35 Kilometer entfernten Piedra Hincada. Auch waren die Impfungen im fernen Los Christianos durchgeführt worden.
Auf meine diesbezüglichen Fragen erklärte mir die Besitzerin, dass der Name und die Adresse, die des ehemaligen Besitzers seien, der ihnen den Hund geschenkt hätte. Bei mir blieben Zweifel. Ich fragte, warum sie erst gesagt hätte, dass sie keine Papiere für den Hund hätte. Sie sei so aufgeregt gewesen, antwortete sie. Der abgebildete Schäferhund hatte einen hellen Kopf, ich erinnerte mich an einen dunklen Schäferhund Kopf. Die Besitzerin hatte für alles eine Erklärung. Meine Zweifel blieben – doch im Moment war ich bewegungslos und wusste nicht, was ich machen sollte.

Impfausweiss Hund

Impfausweis Hund

Impfausweis Hund

Impfausweis Hund

Impfausweiss Hund

Impfausweis Hund

Auf dem Rückweg erklärte mir die Dame, dass sie wisse, dass sie mir ein Schmerzendgeld zahlen müsse. Aber sie so arm, dass sie mit ihrem Partner die ganze Woche von einer Tüte Nudeln leben würde. Auch diese Aussage passte irgendwie nicht zu den gut genährten Menschen. Meine Frage nach dem Mercedes und dem anderen Auto, das ich gesehen hatte, wiegelte sie ab, indem sie mir erklärte, dass ihre drei Autos alle vollkommen alt und kaputt seien. Auch wenn sie gar nicht so aussähen.

……..Fortsetzung folgt……..

Kommentare
  1. Emily sagt:

    In diesen Augenblicken fällt einem das Denken ohnehin schwer. Im Nachhinein ist man meistens schlauer!

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  2. leonieloewin sagt:

    Da bin ich mir nicht so ganz sicher. Im Nachhinein hätte ich einige Dinge von Anfang an anders machen müssen. Aber nun macht es keinen Sinn darüber nachzudenken. Schaue zuversichtlich in die Zukunft. Liebe Grüße Leonie

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  3. Emily sagt:

    Wie gut, dass dein Verstand dennoch geschärft war!

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  4. leonieloewin sagt:

    Die gibt es. Aber ich war dort in einer Zeit, in der ich noch überhaupt nicht laufen konnte. Für mich sehr ungewöhnlich. Wurde vor die Kirche gefahren und bin auf dem Platz und in der Kirche ein wenig herumgehumpelt. Wirklich ein wunderschöner Ort. LG Leonie

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  5. Gabi sagt:

    Auch diesmal kann ich kein „gefällt mir“ drücken. Bei Dir kommt ja gerade wirklich alles zusammen. Mir gefallen nicht die ärztliche Versorgung und die Hundebesitzer schon gar nicht. Dass da einiges faul dran ist, kann hier ja wohl jeder rauslesen.
    Schön, dass Du wenigstens mal ein bisschen raus gekommen bist. In Candelaria waren wir auch mal. Schöne Kirche und schöner Platz mit den Guanchen Königen. Und gibts da nicht auch eine Art Grotte mit einer Marienstatue?
    LG Gabi

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  6. leonieloewin sagt:

    Da ich in letzter Zeit ja nicht viel wandern oder machen konnte, blieb nur das Spanisch lernen :-). Vielen lieben Dank für die guten Wünsche.

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  7. Ich wünsche dir wirklich von Herzen eine gute Zukunft, wo die Folgen dieser Hundeattacke verheilen und vernarben, denn gerade du sollst nie und nimmer deine Liebe zu den Hunden verlieren. – Aber du schriebst ja schon: Nicht die Hunde sind Schuld, sondern die Besitzer.
    Ich finde es grandios, wie gut du dich schon in der Landesssprache verständlich machen kannst und die Leute verstehst. – Toitoitoi

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  8. leonieloewin sagt:

    Lieben Dank Clara…..ein bisschen Fortsetzung folgt noch und dann muss die Zukunft zeigen was wird. liebe Grüße nach Berlin Leonie

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  9. Liebe Leonie, da du ja immer noch an diesem Biss herum“dokterst“, muss es sehr viel schlimmer kommen, als du bisher geschrieben hast. Diese Leute mit dem Mercedes können gar nicht ehrlich gewesen sein.
    Lennys schlimmste Verletzung bisher war auch ein Hundebiss, gleich oberhalb der Rute. Da hat er ewig dran gelitten und mein Sohn war zig mal beim Tierarzt. Da wird er sich von seiner jetzigen Operation bestimmt schneller erholen, da dort alles steril gemacht wurde.
    Toi, toi, toi und liebe Grüße von mir

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  10. leonieloewin sagt:

    vielen lieben Dank

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  11. leonieloewin sagt:

    So ist es liebe Bärbel

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  12. TBW-Pur sagt:

    auch von mir einen lieben Gruß und Gute Besserung!

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  13. leonieloewin sagt:

    Scheint so zu sein. Dennoch werde ich keiner 🙂 Liebe Grüße Leonie

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  14. Wir sind alle zu gutmütig. Als Stinkstiefel kommt man eher zum Ziel.
    LG Charles

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  15. minibares sagt:

    Meine Güte, die sind aber um nichts festzusetzen.
    Arme Leonie, da hat es dich aber richtig erwischt, und dann noch an Lügner gelangen. Das ist zum Kotzen. Eine Tüte Nudeln für eine ganze Woche, neee ne???
    Wie gut, dass eine leichte Besserung zu verzeichnen war.
    Und dass dein Nachbar dich mitgenommen hat, dass du endlich mal wieder was anderes sehen konntest. Solche Nachbarn sind goldwert.
    Es geht also noch weiter mit diesem Drama.
    Liebe Grüße Bärbel

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  16. Iris Schaper sagt:

    Oh weh, gute Besserung!

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  17. leonieloewin sagt:

    Ich bin Hunde- und Katzenfreund. Leider sollen Katzenbisse genauso gefährlich sein. Beide Arten von Tieren kauen einfach so Dinge rein. Das wollten wir eigentlich lieber gar nicht wissen :-). Ja, die Nudeln waren die dreisteste Lüge, aber die Geschichte geht ja noch weiter. Liebe Grüße Leonie

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  18. wederwill sagt:

    Dein Bericht bestärkt mich, Katzenfreund zu bleiben, auf immer und ewig den Katzen den Vorzug zu geben!
    und nebenbei: Von einer Tüte Nudeln leben, wer soll das glauben!

    Gute Besserung und liebe Grüße,
    Marlis

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  19. sweetkoffie sagt:

    Ja, wenn man vorher immer wüsste, was man hinterher weiss, gell.

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  20. leonieloewin sagt:

    In dem Fall war ich zu lange geduldig. Aber im Nachhinein ist man oft schlauer. Liebe Grüße Leonie

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  21. leonieloewin sagt:

    Ja, das hoffe ich auch. Liebe Grüße Leonie

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  22. sweetkoffie sagt:

    Bin gespannt, wie es weitergeht. Ich bewundere deine Geduld, Leonie.

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  23. nurbanales sagt:

    Oh man, gute Besserung und ich hoffe, das am Ende alles gut wird.
    LG Gabi

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  24. leonieloewin sagt:

    Das steht noch nicht fest, aber ich hoffe es auch 🙂

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  25. leonieloewin sagt:

    Vielen Dank und liebe Grüße Leonie

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  26. leonieloewin sagt:

    Das ist kein Spannungsbogen – das ist leider Realität auf Teneriffa. Und Du liegst richtig 🙂

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  27. leonieloewin sagt:

    So ist es. So etwas hätte ich mir vorher nicht vorstellen können. Vielen Dank und liebe Grüße Leonie

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  28. leonieloewin sagt:

    Danke……geht aber noch weiter. Liebe Grüße Leonie

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  29. leonieloewin sagt:

    Am Ende wird alles gut und wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende :-). liebe Grüße Leonie

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  30. Oh, das hört sich nicht gut an. Bleibe weiterhin gespannt dabei, hoffe es nimmt noch alles einen glimpflichen Verlauf.

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  31. Hallo, habe das gelesen. Leider ist das so im Ausland. Ich kann nur sagen wir hatten bisher Glück gehabt und sind verschont geblieben. Wir wünschen baldige Genesung und alles gute.
    Wir wohnen an der Tschechischen Grenze —. Was da los ist, kaum zu beschreiben. Es fehlt an Polizei. Die wenigen sind überfordert. LG. Wolfgang

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  32. Frau Tonari sagt:

    Oh, der Spannungsbogen ist gut aufgebaut.
    Noch hoffe ich, dass Du nicht böse erwachst und deine Gutgläubigkeit bereust.

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  33. … *au weia, mir scheint, es folgte eine typisch hiesige Geschichte, wie man sie sich in ihren Wendungen und Verzweigungen mit deutschem Kopf gar nicht aus- oder vorausdenken kann.

    Leonie, gute Besserung.

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  34. einfachtilda sagt:

    Oh man, das ist ja heftig 😦 Gute Besserung ❤ Mathilda

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  35. Traveller sagt:

    Meine Güte, das ist ja ein richtiger Krimi. Ich bin gespannt, wie es weitergeht.
    Und ich drücke die Daumen, dass es für dich noch – den Umständen entsprechend – eine gute Lösung gibt.

    Lieben Gruß
    Uta

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