Mit ‘Berlin’ getaggte Beiträge

Ich hatte Euch ja bereits angekündigt, dass ich hier  im Blog eine zwei Jahre alte Geschichte von mir einstellen möchte. Dabei hoffe ich ganz arg, dass nicht nur Vallartina diese schmerzfrei übersteht :-). Heute geht es mit dem ersten Teil und dem Staatssekretär, der eine Idee hat, los.

Der Staatssekretär hat eine Idee

Die Geburtsstunde der Anstalt, wie sie später von dem Minister bei Ansprachen gerne bezeichnet wurde, begann kurz nach der deutschen Wiedervereinigung in der damals gerade wieder zur  Bundeshauptstadt ernannten Stadt Berlin. Genau genommen hatte alles mit einer mehr als genial zu bezeichnenden  Eingebung, die ein Staatssekretär im Finanzministerium im Oktober 1992 hatte, begonnen. Dieser Staatssekretär, der schon über zwanzig Dienstjahre fleißig gearbeitet oder zumindest dem Staat gedient hatte und langsam dem Ende seinen aktiven Beamtenzeit entgegen sah, hatte sich an einem wunderschönen Herbstmorgen, an dem die Sonne auf das bunte Herbstlaub vor dem Berliner Ministerium schien, den ganzen Morgen mit schwierigen steuerrechtlichen Fragen beschäftigt. Sein Kopf rauchte und er sehnte sich in seinem tiefsten Inneren danach, die gesammelten Akten zum Steuerrecht von seinem Schreibtisch zu fegen.

Seinen Blick auf die prächtige Laubfärbung gerichtet, fasste er den Entschluss, die vor ihm gebündelten Steuerakten einfach an den Referatsleiter, der ihm diese Arbeit eingebrockt hatte, zurück zu senden. „Warum soll eigentlich immer nur ich arbeiten? Meine Zeit hier im Ministerium ist in einigen Jahren beendet und langsam müssen sich meine Leute daran gewöhnen, auch ohne mich zu arbeiten. Soll sich doch der Hallhuber einen Kopf machen und  seine Vorschläge so überarbeiten, dass ich nur noch unterschreiben muss“, brummelte der Staatssekretär vor sich  hin.

Seinen Augen fingen bei dem Gedanken, dass der Hallhuber ganz schön ins Schwitzen kommen würde, wenn er die Akten ohne Überarbeitung zurückbekommen würde, an zu leuchten. Die Laune des Staatssekretärs stieg um gefühlte 5 Grad. Bis dieses unleidliche Steuerthema wieder auf seinem Tisch ankommen würde, würde Zeit vergehen und wenn er Glück hätte, wäre er dann bereits im Winterurlaub.  Er raffte mit beiden Händen die Berge von Akten vor sich zusammen, füllte mit seinem Füllfederhalter in roter Tinte das Kürzel für den Hallhuber, das HaHu in das Kästchen auf dem grauen Aktendeckel und schmiss die Akten erleichtert auf den Aktenbock, der neben seinem Schreibtisch stand. „Hoffentlich lässt sich der Aktenbote – wie er das üblicherweise macht – mit dem Transport ordentlich Zeit“, dachte der Staatssekretär.

Damit der Aktenberg auch tatsächlich nicht so schnell wieder bei ihm ankommen würde, ging er auf Nummer sicher und versenkte eine einzelne Teilakte des Steuervorgangs, die er zuvor aus dem großen Stapel auf seinem Aktenbock herauszog, hinter dem großen Aktenschrank in der rechten Ecke seines Dienstzimmers. Erleichtert atmete er auf und zog dabei unbeabsichtigt den Staub ein, den der gezielte Wurf der Teilakte hinter den großen Schrank aufgewirbelt hatte. Er fing an zu husten und fluchte über die miserable Putzfrau und die noch miserablere Hausverwaltung, die solch unzuverlässige Reinigungskräfte eingestellt hatte.

Er würde sich beschweren, beschloss er spontan. „Bei wem eigentlich“, überlegte er vor sich hin sinnierend. „Wer ist hier eigentlich die verantwortliche Hausverwaltung?“ Diesem Thema würde er sich annehmen und zwar umgehend. Sein persönlicher Referent sollte sich darum kümmern. „Genau, der Maier, der ist der Richtige“, murmelte er. Der würde alle Informationen schnell heraus bekommen und dann würden in dieser Hausverwaltung Köpfe rollen. „Jawohl“, sagte er zu sich selbst.

„Wo war eigentlich sein persönlicher Referent“, fragte er sich. Er griff zum Telefonhörer auf seinem Schreibtisch und rief seine Vorzimmerdame Frau Büchner an, die beflissentlich: „Was kann ich für Sie tun“, in das Telefon flötete. „Wo verdammt ist dieser Maier denn wieder?“, brüllte der Staatssekretär ungeduldig. „Herr Maier – einen Moment“, sagte die Vorzimmerdame und man hörte, wie sie mit Papier raschelte. „Hoffentlich hat der nicht schon wieder Urlaub“, brummelte der Staatssekretär in den Hörer. „Nein, nein, Herr Maier ist bei der Finanzdirektion Berlin zu einer Einweihungsfeier eingeladen“. „Was für eine Einweihungsfeier“, dröhnte die Stimme des Staatssekretärs aus dem Hörer. „Die Bauverwaltung und die Liegenschaftsverwaltung des Bundes laden zur Einweihung des neuen Westtraktes der Finanzdirektion…“, fing Frau Büchner an vorzulesen. Weiter kam sie nicht.

„Wer? brüllte der Staatssekretär in den Hörer. „Wer soll das denn sein? Die Liegenschaftsverwaltung des Bundes? Habe ich noch nie gehört. Warum laden die mich nicht ein?“, donnerte er weiter. „ Sie Herr Staatssekretär sind doch viel zu wichtig, um auf die Einweihung eines Westflügels zu gehen“, piepse die Vorzimmerdame ob des Donnerns des Staatssekretärs ein wenig eingeschüchtert. „Ach so, ja“, brummelte der Staatssekretär und legte missmutig den Hörer auf. Seine Gedanken kreisten um diese mysteriöse Liegenschaftsverwaltung des Bundes, die ihn nicht auf der Einladungsliste hatte und ihm zudem noch seinen persönlichen Referenten raubte. „Wahrscheinlich sind auch die das, die keine ordentlichen Reinigungskräfte einstellen und überhaupt scheinen die einigen Schlamassel zu produzieren“, dachte er verstimmt. Er hüstelte immer noch von dem aufgewirbelten Staub.

Erneut griff er zum Hörer und brachte innerhalb von einer Stunde die Querabteilung ZA 47 auf Trab, in dem er sich alle verfügbaren Informationen über diese merkwürdige Liegenschaftsverwaltung vorlegen ließ. Endlich hatte er einmal ein Thema vor sich, von dem er etwas verstand, denn wozu hatte er ein Haus im Grunewald, ein Ferienhaus in Kitzbühel und eine weitere Liegenschaft auf Sylt. Immobilien waren sein Steckenpferd.

Der restliche Nachmittag verging für ihn wie im Fluge. Während die Abteilung BC 49 anfing, das Steuerkonzept neu zu bearbeiten und alle verfügbaren weiblichen Mitarbeiterinnen in der Abteilung verzweifelt damit beschäftigt waren, eine fehlende Teilakte zu suchen, kümmerte sich der Staatssekretär höchst persönlich um die ihm bis zu diesem Tage nicht bekannte Liegenschaftsverwaltung.

Am Abend wusste er bereits, dass diese Verwaltung für  die bundeseigenen Gebäude und Dienstliegenschaften zuständig war  und Standorte überall in der Republik hatte. „Schade“, dachte er,  “mit dieser Verwaltung möchte ich mich noch viel mehr befassen. Immobilien gehören in die Hand von Fachleuten. So eine angestaubte Verwaltung wird sich ja kaum um alle diese Werte richtig kümmern können. Das ist mein Projekt.“ In seinem Arbeitsrausch hatte er sogar den Staub hinter dem Schrank, die Reinigungskraft und seinen fehlenden persönlichen Referenten vergessen.

An diesem Abend verließ er schwungvoll das große Gebäude in der Wilhelmstraße. „Dieser Arbeitstag wird ein Meilenstein für die bundesdeutsche Immobilienkultur“, rief er dem Pförtner beim Herausgehen zu. „Jawohl, Herr Staatssekretär“, kam artig die Antwort.

……Wenn Ihr Lust habt, erzähle ich demnächst noch ein bisschen weiter aus der Anstalt. Jetzt wünsche ich Euch zunächst einen schönen Mittwoch.

Im Moment bin ich leider nicht mehr auf Teneriffa und kann Euch daher auch keine neuen Fotos oder Berichte von der schönen Inseln liefern. Da Bonn auf mich zurzeit öde und trostlos wirkt, habe ich mich entschlossen, eine kleine Geschichte über eine „deutsche Anstalt“, die ich vor zwei Jahren geschrieben habe, hier nach und nach zu veröffentlichen. Vielleicht gefällt Euch ja meine kleine Realsatire über eine deutsche Anstalt, die mit Sudoku und Beratung an die Börse geht. Natürlich ist die Geschichte frei erfunden. Zufällige Ähnlichkeiten zu tatsächlich existierenden Personen, öffentlichen Verwaltungen oder Unternehmen wären rein zufällig und sind nicht beabsichtigt. Wo könnte denn auch in den deutschen Landen eine solche Geschichte tatsächlich passieren? Merkwürdig nur, dass ich ab und zu denke, dass ich so einiges von der Geschichte in meinem ersten Leben selber erlebt habe.     

Heute erst einmal kurz zum Inhalt. Die Geschichte handelt von einer Verwaltung, die öffentliche Immobilien verwaltet. Auf Wunsch des Ministeriums soll diese in ein modernes zeitgemäßes Dienstleistungsunternehmen umgewandelt werden. Alles beginnt an einem ganz normalen Morgen im Berliner Finanzministerium der Nachwendezeit. Ein Staatssekretär, der einfach keine Lust mehr darauf hat, langweilige Steuervorgänge zu bearbeiten, lässt eine Teilakte hinter seinem Schrank verschwinden. Der dabei aufgewirbelte Staub bringt ihn nicht nur zum Husten, sondern auf eine geniale Idee. Er will die verantwortliche Hausverwaltung in einer modernes Unternehmen umwandeln und dabei unbedingt seinem Minister beweisen, wie wirtschaftlich und modern sein neues Unternehmen arbeiten kann. So scheut er sich auch nicht in seiner Position, dieses  wichtige Projekt  persönlich  in seine Hände zu nehmen.

 Auf dem Weg von der Idee bis zur Umsetzung sind nicht nur viele Dinge zu bedenken, sondern auch immer wieder neue Hindernisse zu überwinden. Diesen Prozess zu begleiten, bringt nicht nur einzelne Herren im Ministerium bis an ihre persönlichen Grenzen. Zum Glück bietet sich bei der Erledigung der zahlreichen Aufgaben, Hilfe durch geschäftstüchtigen Berater an. Diese fassen ohne Arbeitsscheu beherzt  zum Wohle des Staates und des eigenen Geldbeutels in Windeseile zu.

 Weiterhin stellt sich heraus, dass es  nicht ganz so einfach ist, die Mitarbeiter von den vielen Vorzügen eines modernen Dienstleistungsunternehmens, in dem vorwiegend Denglisch gesprochen wird, zu überzeugen. Zum Glück hat der Berater Herr Machold alle Fäden fest in der Hand und überzeugt durch seinen nächtlichen Arbeitseinsatz in den Hotelbars schließlich auch die Basis von den wirtschaftlichen Vorteilen eines Großunternehmens.

 Zur Freude der höheren Ministerialbeamten  gibt es in einer Anstalt auch viele neue interessante Posten zu vergeben, wobei sich insbesondere die Vorstandsstellen allgemeiner Beliebtheit erfreuen. Wen wundert es da, dass in erster Linie tüchtige Herren und Ministerialbeamte, die ohnehin lieber am Rhein verbleiben wollten als mit an die Spree umzuziehen,  in die Bonner Anstalt wandern. Herr Dr. Kleist als Vorstandssprecher, der als einziger aus dem Ministerium die Grammatik vollständig beherrscht und sich gerne selber um jede Mieterbeschwerde persönlich kümmert, ist genauso prädestiniert für eine Vorstandsposition wie seine Kollegen Herr Dr. Müller-Niederthal und Herr Konrad. Herr Dr. Müller-Niederthal als Mann aus der Wirtschaft stellt gleich beim Gehaltspoker mit dem Ministerium seinen wirtschaftlichen Fähigkeiten unter Beweis. Weiter zeigt sich, dass nur der, der Sudoku so gut wie Herr Konrad beherrscht, die Position des Finanzvorstandes erhalten kann.

 Die Vertreter des Ministeriums üben ihre Fachaufsicht zunächst durch Einstellung unzähliger neuer Mitarbeiter weitsichtig aus. Sie sind zumeist in der ministeriellen Kantine recht nah am Geschehen, um zunächst den alten Staatssekretär und später den jungen neuen Staatssekretär von Gutental mit positiven Nachrichten über die Deutsche Anstalt zufrieden zu stellen.

 Gemeinsam arbeitet man sich durch Zielvereinbarung, Personalentwicklungsaufgaben und eine Unmenge Zahlen. Wen wundert es da, dass bei diesem Zahlengewirr ab und zu auch einmal der Finanzvorstand die Zahlen des Wirtschaftsplanes mit der Liquidität verwechselt. Unermüdlich arbeiten Vorstand, Ministerium und Berater mit innovativen Sachverstand daran, immer wieder neue kreativen Ideen zu entwickeln, wie Liquidität aus der Anstalt gewonnen werden kann, um dem Staat aus der Krise zu helfen. Und sei es auf so unkonventionellen Weg, dass die Verkäufer von Immobilien kurzfristig in die Sparte Wald und Natur wechseln müssen, um im Wald Holz zu sammeln oder beim Fischen an der Ostsee ihr Glück zu suchen. So kommen zwischenzeitlich auch die Natur- und Hundeliebhaber, die einige Zeit lang mit Tier und Flinte durch die Wälder streifen dürfen, auf ihre Kosten. Die anderen Bearbeiter in der Anstalt müssen auf den Betriebsausflug im Rheintal warten, den der Vorstandssprecher werbewirksam als Liegenschaftsbegehung an die Presse verkauft.

 Am Ende zeigt sich, dass der eingeschlagene Weg, eine moderne Anstalt aufzubauen, nur ein Anfang gewesen sein kann. Denn immer wieder schaffen es die Vorstände, die Spartenleiter und sämtliche Bedienstete unter Federführung einer Heerschar von Beratern, das Ministerium mit neuen und unerwarteten Bilanzzahlen zu verblüffen. Als zum Schluss sogar ein testierter Jahresabschluss gefährdet erscheint, von dem der Vorstandssprecher am Rande eines Fußball Turnieres auf der schönen Insel Helgoland erfährt, wird es Zeit das Ruder herum zu reißen. Durch cleveres Handeln eines ministeriellen Verwaltungsbeamten geht daher die Anstalt ihren Weg weiter an die Börse. Die Anstalt wird eine Aktiengesellschaft.

Die sogenannte Fläche mit ihren Außenstellen bleibt sich eine Weile selber überlassen. Doch nach und nach kommen die altlastenbehafteten Liegenschaften zurück. Und am Ende ist neben der börsendotierten Aktiengesellschaft auch die alte Verwaltung wieder auferstanden.

Die zahlreichen Mitarbeiter der Anstalt werden entwickelt, gecoacht und gechanged und entdecken danach vollkommen neue Talente. Bei diesem rasanten Aufstieg darf es auch keine Rolle spielen und niemanden verwundern, dass ab und zu ein paar Mitarbeiter ganz verloren gehen. Am Ende zeigt sich, allein die Beratung hat Bestand.

Falls Ihr Lust auf mehr (Meer habe ich leider im Moment nicht zu bieten) habt, geht es demnächst los.

Ich wünsche Euch einen schönen Tag.